Als Rechtsanwälte, die sich auf den Bereich des Verbraucherschutzes spezialisiert haben, werden wir oft mit verschiedenen Geschäftsmodellen konfrontiert, die bei Anlegern und Geschäftspartnern gleichermaßen Interesse wecken. Eines dieser Modelle, das in den letzten Jahren vermehrt Aufsehen erregt hat, ist Lyoness bzw. Lyconet und myWorld.
Handelt es sich bei Lyoness um ein Schneeballsystem?
Bei Lyoness (Lyconet Empfehlungsmarketing) handelt es sich um ein sogenanntes Cashback-System, das den Teilnehmern die Möglichkeit bietet, bei Einkäufen Geld zurückzuerhalten. Es verspricht seinen Mitgliedern zudem die Aussicht auf hohe Renditen durch Empfehlungsmarketing und den Aufbau eines Netzwerks von Geschäftspartnern.
Das Konzept von Lyoness mag auf den ersten Blick attraktiv erscheinen, doch bei genauerer Betrachtung ergeben sich einige juristische Fragestellungen und Bedenken. Insbesondere ist es wichtig zu beachten, dass die rechtliche Beurteilung von Geschäftsmodellen wie Lyoness von Land zu Land unterschiedlich sein kann.
Ein zentrales Thema im Zusammenhang mit Lyoness ist die Frage, ob es sich um ein legales Geschäftsmodell handelt oder ob es als Schneeballsystem einzustufen ist. Ein Schneeballsystem zeichnet sich dadurch aus, dass neue Teilnehmer dazu gebracht werden, Geld einzuzahlen, um damit ältere Teilnehmer auszuzahlen. Das Geschäftsmodell hängt dabei stark von der ständigen Rekrutierung neuer Mitglieder ab, um den Geldfluss aufrechtzuerhalten.
In Bezug auf Lyoness wurden in verschiedenen Ländern rechtliche Auseinandersetzungen geführt. Einige Gerichte haben geurteilt, dass das Geschäftsmodell von Lyoness als Schneeballsystem anzusehen ist, während andere Gerichte die Legalität des Modells bestätigt haben. Dies verdeutlicht die Komplexität und die Uneinheitlichkeit der rechtlichen Beurteilung.
Ist ein Widerruf der Verträge mit Lyoness möglich?
Viele von ihnen fragen uns, ob es eine Möglichkeit gibt, ihre gezahlten Beiträge zurückzufordern. Nachfolgend werden wir Ihnen erläutern, wie Sie aufgrund eines Widerrufs rechtliche Schritte einleiten können, um Ihr investiertes Gelder zurückzuerlangen.
Gemäß dem Verbraucherrecht haben Sie in vielen Fällen das Recht, einen Vertrag innerhalb einer bestimmten Frist zu widerrufen. Der Widerruf ermöglicht es Ihnen, den Vertrag rückwirkend aufzuheben und somit Ihre gezahlten Beiträge zurückzufordern. Es ist wichtig zu beachten, dass die genauen Widerrufsfristen und -bedingungen je nach Land und Vertrag variieren können. Für Kunden in Deutschland gilt: bei Fernabsatzverträgen gemäß § 312c BGB steht Kunden ein Widerrufsrecht zu. Aufgrund der oftmals nicht erfolgten Widerrufsbelehrung ist ein Widerruf vorliegend teils auch nach der gesetzlichen Widerrufsfrist möglich.
Um Ihren Widerruf geltend zu machen, müssen Sie Lyoness bzw. Lyconet schriftlich über Ihre Entscheidung informieren. Es ist ratsam, den Widerruf per Einschreiben oder auf andere nachweisbare Weise zu versenden, um einen Beleg für den Zugang zu haben. In Ihrem Widerrufsschreiben sollten Sie klar und deutlich angeben, dass Sie den Vertrag widerrufen und Ihre gezahlten Beiträge zurückfordern möchten.
Es ist möglich, dass Lyoness bzw. Lyconet und myWorld Ihren Widerruf nicht akzeptieren und versuchen, Ihnen entgegenzutreten. Oftmals werden hierbei die von Lyoness verwendeten AGB als Grund angeführt. Gemäß dieser AGB wird den Kunden ihr Verbraucherstatus abgesprochen, wodurch ein Widerrufsrecht entfallen würde. In solchen Fällen ist es wichtig, dass Sie sich an erfahrene Rechtsanwälte wenden, die Ihnen dabei helfen können, Ihre Rechte durchzusetzen und Ihre Interessen zu schützen.
Was ändert das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofs?
Wie bereits oben angesprochen verweigerte Lyoness mit Hinweis auf seine AGB in vielen Fällen auch nach erfolgtem Rückruf eine Rückzahlung. Dies wurde stets mit Hinweis darauf, dass es sich aufgrund der AGB bei den Kunden um nicht um Verbraucher handele und Ihnen damit kein Widerrufsrecht zusteht. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 8. Juni 2023 , Az. C-455/21 nunmehr klargestellt, dass Kunden von Lyoness bzw. Lyconet nur dann keine Verbraucher sind, wenn die Kundenbeziehung Ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist. Dies wird in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht der Fall sein, womit ein Widerruf für Kunden weiterhin möglich ist.
Dem Urteil gegen Lyoness lag ein Fall zugrunde, in welchem ein auf hydraulische und pneumatische Maschinen spezialisierter Maschinenbauingenieur eine Kundenbeziehung zu Lyoness hatte. Dieser klagte auf Feststellung, dass bestimmte in den AGB verwendete Klauseln nicht rechtmäßig seien. In der Folge stritten Kläger und Beklagte darum, ob es sich bei dem klagenden Kunden um einen Verbraucher handelt. Diese Frage beantwortete der Europäische Gerichtshof nun mehr als deutlich mit der Klarstellung, dass der klagende Kunde nur dann kein Verbraucher wäre, wenn seine Kundenbeziehung zu Lyoness seiner gewerblichen Tätigkeit – der des auf hydraulische und pneumatische Maschinen spezialisierten Maschinenbauingenieurs – zuzurechnen wäre.
Weiterhin stellte der Europäische Gerichtshof klar, dass die von Lyoness ebenfalls verwendete Klausel, wonach schweizerisches Recht anzuwenden sei, ebenfalls unwirksam ist. Der Gerichtshof führt insoweit aus, dass „eine Klausel, mit der die Anwendung des Rechts eines Drittlands auf den Vertrag bestimmt wird, einem Verbraucher nicht den Schutz entziehen, der ihm durch die Richtlinie 93/13 gewährt wird. Bei einer solchen Klausel ist also vom nationalen Gericht sicherzustellen, dass der Schutz nach Art. 6 Abs. 2 der Rom‑I-Verordnung und nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 gewährleistet wird„. Insofern handelt es sich bei dem Urteil um einen doppelten Sieg für Verbraucher.
Fazit
Nach dem oben angesprochenen Urteil des EuGH vom 8. Juni 2023 gilt: Sie sind entgegen der von Lyoness oder Lyconet verwendeten AGB grundsätzlich als Verbraucher anzusehen. Damit steht Ihnen grundsätzlich auch ein Widerrufsrecht zu. Sofern Sie also Bedenken hinsichtlich Ihrer Beteiligung an Lyoness bzw. Lyconet haben und Ihre gezahlten Beiträge zurückfordern möchten, sollten Sie die Möglichkeit eines Widerrufs durch einen auf diesem Gebiet erfahrenen Rechtsanwalt prüfen lassen. Der Widerruf kann Ihnen helfen, den Vertrag rückwirkend aufzuheben und Ihre investierten Gelder zurückzuerhalten. Es ist jedoch ratsam, sich an erfahrene Rechtsanwälte zu wenden, um eine fundierte rechtliche Beratung zu erhalten und Ihre Ansprüche erfolgreich durchzusetzen. Rechtsanwälte Ritschel – Keller hilft hierbei betroffenen Kunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Ritschel & Keller
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